Und jetzt: Die Nachrichten!

n-tv befasst sich mit seinem eigenen Metier und einer Tendenz, die momentan anscheinend viele gegenüber Nachrichten haben: Überforderung und Abkehr. Das brachte mich dazu, über meinen eigenen Nachrichtenkonsum nachzudenken – der auch nicht mehr so ist, wie er mal war.


Seit ein paar Jahren bemerke ich bei mir eine Änderung in der Art, wie ich, meist online, „Zeitung lese“. Anführungsstriche deshalb, weil es sich um einen Mix von online-Ausgaben von Zeitungen und Magazinen, reinen Onlinemedien oder kombinierten TV- und Onlinemedien handelt. Das ist ein im Vergleich noch ziemlich konservativer Medienkonsum, da der Anteil sozialer Medien dabei gering ist – ich informiere mich nicht überwiegend aus meiner „bubble“ in Telegram, Whatsapp, Signal, TokTok, insta oder facebook – auch wenn facebook mich immer mal wieder auf interessante Artikel aufmerksam macht. Ob meine relativ neue Angewohnheit, mir mein eigenes online-Nachrichtenmagazin über einen „Aggregator“ nach meinen Vorgaben zusammenstellen zu lassen (Flipboard), an der erwähnten Veränderung mitschuldig ist, weiß ich nicht, – dass der während der Corona-Pandemie erlebte massive online-Überdruss sie beeinflusst hat, vermute ich allerdings stark. Aber worum geht’s bei dieser Veränderung eigentlich? Nun, ich lese meist nur noch die Überschriften und Kurzeinführungen wie die fettgedrucke über diesem Artikel. Vielleicht noch ein kurzer Kontrollblick in den (meist unnötig langen) Text, und weiter geht’s.

Bin ich klüger geworden oder nur ignorant?

Der Hauptgrund dieser vielleicht seltsam anmutenden Veränderung ist mir bewusst: Ich gehe auf die 60 zu und habe mich seit meiner Jugend, also seit 40, 45 Jahren stets für Nachrichten interessiert, mich politisch informiert und engagiert. Ich kenne daher jetzt sehr viel mehr Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten des politischen Geschehens als noch vor 30 oder auch 10 Jahren. Wenn ich also lese, dass irgendwo irgend etwas passiert ist, irgend eine politische Entscheidung getroffen wurde usw, kann ich sie meist recht sicher in größere Zusammenhänge einordnen und erfahre aus den betreffenden Artikeln und Einzelheiten nicht mehr viel Entscheidendes. Allgemeineres Wissen aus Dokus und Sachbüchern trägt zu den stärker sicht- und nutzbaren Zusammenhängen bei. Auch sind meine politischen und gesellschaftlichen Überzeugungen klarer und begründeter als vor Jahren. Ich lasse mir nicht mehr so leicht in X für ein U vormachen, auch wenn ich mir meine Neugier bewahren will. Aber deswegen weniger detailliert lesen? Vielleicht gehöre ich zu der wachsenden Gruppe derer, die Nachrichten meiden!
Dazu die zwei Beiträge von n-tv:
n-tv1 Nachrichten meiden – gute Idee?
N-TV Der Umgang mit Nachrichten

Sicher, n-tv lebt vom Nachrichtenkonsum, und dass der Sender genau dafür Webung macht, ist verständlich – dass er Alarm schlägt, wenn diese seine Existenzgrundlage gesellschaftlich erodiert, allerdings auch.

Wie man sich irren kann …

Ich erkenne überrascht: Nicht meine Gewohnheit der täglichen Informationsaufnahme hat sich verändert, sondern die Art, wie ich Information aufnehme. Zeitlich gesehen lese ich nicht weniger als früher, und das führt zu einem Paradox: Die Menge der Nachrichten, die ich, wenn auch nur in Kurzform, wahrnehme, scheint sogar gestiegen. Vielleicht daher das Gefühl des Überdrusses, vielleicht aber auch daher, dass es weniger Überraschungen gibt, je länger man, auf Lebenszeit gerechnet, nachrichtenmäßig dabei ist. Besser zu wissen, „wie der Hase läuft“, ist ein zweischneidiges Schwert, aber wenn man „den Braten riecht“, schon bevor man von Desinformation verwirrt wird, hilft das ungemein und man kann gezielt nach verlässlichen Infos suchen, Verdacht bestätigen oder widerlegen.

Eine Bullshit-Epidemie

War in Deutschland die Fake-News-Dichte bis zur Pandemie überschaubar – wenn auch im Ansteigen begriffen – , so hat sie sich, auch als Kompensation überschießender Corona-Angst, potenziert. Ich war nie der Ansicht, es gehöre aus Gründen der Ausgewogenheit zu seriösem Journalismus, auch die durchgeknalltesten Verschwörungsidiot*innen ihre, bei Covid19 letztlich lebensgefährlichen, „Gewissheiten“ verbreiten zu lassen. Die öffentlich-rechtlichen Medien hätten mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen haben können. Die Praxis, völlig abwegige und aus der Luft gegriffene Standpunkte immer und immer wieder zu berücksichtigen, hat die damalige schwierige Situation meiner Meinung nach nur weiter destabilisiert (false balancing), es gab auch ohne sie in und an der Pandemie genügend strittige oder diskussionswürdige Themen. Corona hat auch da viel Schaden angerichtet. Keine einzige der mannigfaltigen „Bedrohungen“, die Corona-Leugner*innen usw. an die Wand gemalt haben, ist eingetreten, die Impfungen haben die Bevölkerung NICHT ausgelöscht/gechipt, sondern geschützt usw … stattdessen schweigen die Lautsprecher*innen von 2020-22 heute lieber über ihre Taten, über die tatsächlichen Corona-Opfer und sinnvolle Lehren aus dieser schlimmen Zeit.

Zur Abwehr gezwungen

Bullshit lese ich nicht, auch wenn es immer mehr davon in die Medien (und besonders in die „Sozialen Medien“) schafft. Einen gemeingefährlichen Bullshit-Generator wie Trump muss man nicht durch geduldiges Zuhören würdigen, denn er verdient es nicht. Was er verdient, ist eine Gefängniszelle. Menschen wie er und die Kultur, die er fördert, sehen sich grundsätzlich „im Recht“. Dadurch sind alle anderen im Unrecht. Das ist das Ende der freien Gesellschaft. Der Wettbewerb der Überzeugungen wird ersetzt vom Kampf darum, wer Recht hat. Recht haben die, die sich durchsetzen. Trumpisten nehmen seine „Diktator“-Allüren absolut ernst und unterstützen sie ausdrücklich – dass andere Standpunkte die gleiche Berechtigung haben könnten wie ihre, ist für sie schon Vergangenheit, die Verfassung nur relevant, sofern sie ihnen nutzt, um sich von ihr zu „befreien“. Deomokratien müssen sich gegen so etwas wehren, oder sie hören auf zu existieren. Natürlich verbrigt sich in Propaganda auch Information, aber deshalb muss man nicht aufhören, sie Propaganda zu nennen. Man muss sie deuten, und dazu sind Kenntnis und Menschenkenntnis nötig. Ob man dadurch zur „Wahrheit“ dringt, bleibt eher offen, aber ich baue meine Überzeugungen lieber auf breite und fundierte Information als auf durchschaubare und widerwärtige Manipulationsbemühungen eines Putin oder Trump und ihrer Fake-News-Kohorten.

Zielgerichtetes Störfeuer

Doch in einer Demokratie bleibt wichtig, auch gegenüber seriösen Medien und den politischen Akteur*innen kritisch zu sein. Das fiele uns Medien-Konsument*innen allerdings viel leichter, gäbe es nicht die lautstarken Vollpfosten mit ihrer Fanbase und die schamlosen Hetzer*innen, die vor nichts mehr halt machen. Sie profitieren von schlecht und falsch informierten Menschen und tun alles dafür, dass es immer mehr davon gibt. Das pausenlose fake-news-Bombardement dient auch dazu, echte Informationen zu vernebeln, schwerer identifizierbar zu machen und ihre Glaubwürdigkeit von vornherein in Frage zu stellen: Alles ist gleich viel – oder wenig – wert. Eine Täuschung.

Ein existenzieller Kampf

Auf TikTok war die AfD bisher quasi ohne Konkurrenz, die ihren Verdrehungen und Verleumdungen, so wie sonst fast überall, etwas entgegenhalten könnte – ein schlimmes Versäumnis. (Diese Info habe ich aus den Nachrichten, nicht aus TikTok, ihre Bewertung stammt von mir selbst.) In dem (Bull-)Shitstorm ist man für jede nicht offensichtlich vollkommen tendenziöse Berichterstattung dankbar und der Anspruch an den Journalismus sinkt. Die Medien selbst „verschwenden“ Ressourcen mit der Abwehr irr- und böswilliger Attacken. Die „Lügenpresse“ verteidigt sich gegen erfundene Vorwürfe, die sie auch mit dem vorbildlichsten Journalismus nicht entkräften könnte. Denn diese Attacken sind letztlich Teil demokratiefeindlicher Kampagnen, ausgeführt oder gesteuert gerne aus Putin-Russland oder von inländischen Kräften, die ähnliche Interessen verfolgen. Das ist also kein Spaß, kein spannendes Reality-Drama, sondern eine ernste Bedrohung der Fundamente unserer Demokratie, schon lange vor und abseits der schwierigen Situation einer kriegerischen Konfrontation vor unserer eigenen Haustür.

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