Und jetzt: Die Nachrichten!

n-tv befasst sich mit seinem eigenen Metier und einer Tendenz, die momentan anscheinend viele gegenüber Nachrichten haben: Überforderung und Abkehr. Das brachte mich dazu, über meinen eigenen Nachrichtenkonsum nachzudenken – der auch nicht mehr so ist, wie er mal war.


Seit ein paar Jahren bemerke ich bei mir eine Änderung in der Art, wie ich, meist online, „Zeitung lese“. Anführungsstriche deshalb, weil es sich um einen Mix von online-Ausgaben von Zeitungen und Magazinen, reinen Onlinemedien oder kombinierten TV- und Onlinemedien handelt. Das ist ein im Vergleich noch ziemlich konservativer Medienkonsum, da der Anteil sozialer Medien dabei gering ist – ich informiere mich nicht überwiegend aus meiner „bubble“ in Telegram, Whatsapp, Signal, TokTok, insta oder facebook – auch wenn facebook mich immer mal wieder auf interessante Artikel aufmerksam macht. Ob meine relativ neue Angewohnheit, mir mein eigenes online-Nachrichtenmagazin über einen „Aggregator“ nach meinen Vorgaben zusammenstellen zu lassen (Flipboard), an der erwähnten Veränderung mitschuldig ist, weiß ich nicht, – dass der während der Corona-Pandemie erlebte massive online-Überdruss sie beeinflusst hat, vermute ich allerdings stark. Aber worum geht’s bei dieser Veränderung eigentlich? Nun, ich lese meist nur noch die Überschriften und Kurzeinführungen wie die fettgedrucke über diesem Artikel. Vielleicht noch ein kurzer Kontrollblick in den (meist unnötig langen) Text, und weiter geht’s.

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Zwei Buchtipps

Bücher machen ist eine Lust! In den vergangenen Monaten durfte ich an der editorischen Entstehung gleich zweier hochinteressanter Romane meiner sehr geschätzten Kollegen Jörg Sader und Helmut Ulrich mitarbeiten. Die Romane sind seit kurzem im Handel.

Das Flüstern der Augen von Jörg Sader spielt in der DDR lange vor ihrem Ende: „Die große Liebe von Jan und Tamara beginnt heftig und unbefangen. Doch mehr und mehr verfängt sie sich in den Ungewißheiten eines unfreien, verschlossenen Landes. Als Tamara verschwindet, geht Jan auf die Suche nach ihr. Beide sind nicht nur ihren starken emotionalen Verstrickungen unterworfen, sondern ebenso der harten politischen Realität.“

Es war eine große Freude und Ehre für mich, an der letzten Phase der Entstehung dieses faszinierenden Buches (und e-Books), des Layouts, Satzes und der Druckvorbereitung beteiligt zu sein. Jörg Sader ist Autor einer ganzen Reihe von literarischen Perlen und bereitet bereits seine nächsten Veröffentlichungen bei einem deutschen Verlag vor.


Denn alles ist gut von Helmut Ulrich spielt an einem einzigen Tag im Jahr 1995. Der Roman kreist um seinen Protagonisten Anton Bürger: „Anton Bürger, 1939 geboren, Kriegswaise, inzwischen 56 Jahre alt, hat sich in seiner norddeutschen Heimatstadt einen gutgehenden Sanitärbetrieb erarbeitet. Mit seiner Ehefrau Margit, der Tochter Beate und der Enkelin Henriette hat er zudem eine intakte Familie. Der Kauf eines neuen Autos bringt nach Antons überwundenen frühkindlichen Kriegserfahrungen eine erneute desaströse Wendung in sein Leben. Weil das Auto sich als gestohlen erweist, setzt er zornentbrannt eine Preisminderung durch. Zu seiner bösen Überraschung ist Autohändler Wehse zugleich ein Gangsterboß. In die gefährliche Auseinandersetzung mit Wehse und dessen Komplizen verstrickt, machen ihm seine wiederkehrenden Albträume vom Krieg erneut zu schaffen.“
Was so alltäglich klingt, liest sich als zeithistorische, literarische und psychologische Achterbahnfahrt durch das Erleben Antons. Auch bei diesem Buch & e-Book durfte ich Satz und Layout anlegen, außerdem das Cover einrichten und das Buch druckfertig machen. Von Helmut Ulrich sind in den vergangenen Jahrzehnten etliche lesenswerte Bücher erschienen.

Fürchtet euch! nicht

Die Plots seiner Filme sind oft Zumutungen, scheren sich nicht um Realismus oder gängige Erzählweisen. Seine neueste Zumutung ist jetzt im Streaming zu sehen: „Knock At The Cabin“ von M. Night Shyamalan.

„Was wäre wenn?“ könnte die ziemlich müßige Frage sein, die ein Film wie dieser stellt. Ist sie aber nicht.
Das erste, was man wahrnimmt, wenn der Film beginnt, ist zu klein, um es zu sehen. Es ist aber jetzt und mehrfach während des Films fast ohrenbetäubend laut zu hören: Grashüpfer auf einer Waldlichtung. Sehr bald jedoch sieht man zwei Hände, die einen dieser unzähligen Grashüpfer vom Halm streifen, ihn in ein Einmachglas mit weiteren Grashüpfern verfrachten und den Deckel darauf schrauben, der Luftlöcher enthält. Ein süßes kleines Mädchen spricht mit den Grashüpfern, die es gefangen hat und erklärt ihnen, dass sie keine Angst haben müssten, sie wolle sie nur eine Weile beobachten, und jeder solle sich benehmen, weil er nicht allein im Glas sei. Sein Gesicht ist riesenhaft hinter den kleinen Grashüpfern zu sehen, denen es in seiner Beobachtungskladde sogar Namen gegeben hat. Der Fremde, der gleich in der Szene auftauchen und die Geschichte in Gang bringen wird, ist zuerst auch nur ganz klein zu sehen, genau so klein wie die Grashüpfer im Glas. Und noch ein wenig später wird man die Urlauberhütte, die hier auf der Lichtung steht, gemeinsam mit dem Einmachglas sehen, beide gleich groß im Bild, und bewohnt von mutmaßlich gleich vielen „Grashüpfern“. Das Mädchen, auch das ist auffällig, hat eine sehr gut und teuer korrigierte und bis auf eine kleine Narbe nicht mehr zu sehende Kieferspalte, eine „Hasenscharte“.

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Demokraten sind nur die mit Auto

Klimakleber, also Leute, die Autos am Fahren hindern, sind eine Gefahr. Sie nehmen uns unsere Freiheit. Darüber sind sich die deutschen Autofreaks schon lange einig. Und jetzt haben sich die Weltverbesserer (schlimm, die Welt verbessern zu wollen …), logo, auch als Demokratiefeinde geoutet: keine gewählten Parlamente mehr! (stattdessen ausgeloste Abgeordnete). Wir haben es ja schon immer gewusst!

Wer ist Demokrat*in? Wer unsere bequemen Gewohnheiten stört, auch wenn sie noch so schädlich für unsere Gemeinschaft und die Zukunft unserer Kinder sind, kann es schon mal nicht sein. Geloste statt gewählte Abgeordnete, tja, diese Idee ist aber so alt wie die Demokratie selbst, sie ist sogar mit ihrer Entstehung untrennbar verbunden. Denn das Athener Parlament der Antike, die Wiege des demokratischen Systems, bestand aus gelosten Vertretern, nicht aus gewählten.

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My name is Covid

Endlich! Eine (super durchgeknallte) Komödie über die Corona-Pandemie!

Es passiert nicht oft, dass man eine neue Serie sieht und eine bekannte – und ziemlich deutliche – Handschrift zu entdecken glaubt. Bei „Sprung“ drängt sich sehr bald der Vergleich mit „My Name Is Earl“ auf, und der Eindruck täuscht nicht. Die Serie stammt aus der Feder desselben Masterminds: Gregory Thomas Garcia. Und wieder einmal beweist er, dass er eine Vorliebe und ein echtes, hochkomödiantisches Talent für die Schrullen der US-amerikanischen Unterschicht hat. In „Sprung“ allerdings verankert er die Handlung und die zunächst bemitleidenswerten Protagonisten in einer historisch genau festgelegten Epoche: den ersten Monaten der Corona-Pandemie in den USA.

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Schau doch, da ist nichts.

Eine Einladung zur Salonage „Männerart – alte und neue Männerbilder“ von Isobel Markus am 18. November dieses Jahres in der Lettrétage/Studio acud gab den Anstoß, meinen Essay „Mein Werwolf“ auch in voller Länge und in Buchform dorthin mitzubringen. Ohne lange Planung und in kurzer Frist veröffentlichen heißt: selbst veröffentlichen. Das Booklet erscheint heute im Handel.

Über seinen langjährigen geheimen Begleiter und die Ursachen und Umstände von dessen Existenz wollte der Autor Michael Wäser schon oft schreiben. Doch erst nach der Fertigstellung seines dunklen „Heimat-Romans“ Das Wunder von Runxendorf schienen alle Teile am rechten Platz. „Mein Werwolf“ ist ein sehr persönlicher und zugleich ins Historische ausgreifender Essay.

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ATHENA – Adieu, Mann!

Romain Gavras, Regisseur des spektakulären Netflix-Dramas „Athéna“, hatte die klassische griechische Tragödie im Kopf, als er den Film entwarf. Als er ihn filmte, waren es Vorbilder wie „Children of Men“, „The Revenant“ und „1917“. Eine Empfehlung.

Selten, vielleicht noch nie zuvor hat man so etwas in einem Film gesehen. Nicht in dieser Menge, in dieser Frequenz und mit diesem Aufwand. Plansequenz reiht sich an Plansequenz in diesem Spielfilm über einen eskalierenden Aufstand in einer Siedlung der Pariser Vorstädte, atemberaubende Fahrten verwandeln sich übergangslos in intensive, ja intime Großaufnahmen der Protagonisten in ihren Zimmern oder Kellern, nur um gleich zu Panoramen aus der Vogelperspektive über der qualmenden Wohnanlage zu werden, auf deren zentralem Platz es zugeht wie im Weltkrieg. Die Bildsprache zitiert sehr bewusst neuere Filme über gescheiterte Ordnungen, über Krieg, über Männer. Dahinter steckt eine unvorstellbar aufwändige Vorbereitungsarbeit, modernste Kameratechnik und ohne Zweifel auch CGI, die man jedoch nicht bemerkt. Hunderte von Kompars*innen, zwei gegnerische Blöcke (junge Männer der Banlieu und die Polizei) und dazwischen die friedlichen Bewohner*innen der Wohnblöcke – Familien, Kinder. Doch die tauchen nur am Rande auf und fliehen, so gut sie können. Um was es hier eigentlich geht, sind die Männer, die nicht mehr weiter wissen.

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